Erstmal vorweg: keine der Smartwatches, die schon heute eine Blutdruckmessung anbieten, entspricht den Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Hypertension (Bluthochdruck), da sie nicht genau genug für eine klinische Anwendung sind. Das geht aus einer Antwort auf unsere Anfrage bei Stride BP hervor, einer Dachorganisation der Hypertension-Vereinigungen.
Die Branche steht jedoch vor einem Umbruch: Es kommen immer mehr Geräte auf den Markt, die behaupten, den Blutdruck nicht invasiv entweder messen oder zumindest schätzen zu können. Die Methoden dieser Messung sind ebenfalls zahlreich und benötigen nicht immer einen zusätzlichen Sensor, um die Blutdruckwerte zu ermitteln.
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Nicht umsonst hat die Europäische Gesellschaft für Hypertension im Dezember vergangenen Jahres eine Empfehlung für die Validierung der manschettenlosen Blutdruckmessgeräte veröffentlicht. Demnach sollen sich solche Geräte vor der Zulassung auf dem Markt (wohl als klinisches Gerät) folgenden sechs Prüfverfahren unterziehen: Statischer Test (eine klassische Messung, wenn der Nutzer sitzt und das Messgerät auf dem Oberarm auf Herzhöhe oder knapp darunter angebracht ist), Positionstest (wenn sich beispielsweise das Gerät bzw. die Arterie, an der der Blutdruck gemessen wird, oberhalb des Herzens befindet), Behandlungstest (Genauigkeit bei sinkendem Bluthochdruck), Test im Schlaf, Test beim Sport und Rekalibrierungstest (die Genauigkeit der Messung über eine längere Zeit).
Was ist eigentlich der Blutdruck?
Der Blutdruck wirkt im Körper bei der Zirkulation des Blutes auf die Blutgefäße aus. Wenn man die übliche Metapher vom Herz als Pumpe benutzt, so entsteht der Druck, indem diese Pumpe die Flüssigkeit durch die Schläuche namens Adern bewegt. Den Blutdruck misst man in der Einheit Millimeter Quecksilbersäule (mmHg), bei der Messung gibt man ein Zahlenpaar an: den systolischen und den diastolischen Druck.
Der systolische Druck ist der maximale Druck und entsteht bei dem Auswurf des Blutes aus dem Herz in die Aorta, der diastolische Druck ist der niedrigste Wert und entsteht in der Phase, wenn sich das Herz wieder mit Blut füllt. Der Prozess ist in diesem Video perfekt veranschaulicht:
Warum ist eine kontinuierliche Messung des Blutdruckes selbst bei gesunden Menschen wichtig?
Hoher Bluthochdruck gehört laut WHO neben Übergewicht, erhöhten Blutzuckerwerten und erhöhten Cholesterolwerten zu den vier Risikofaktoren, die verschiedene Krankheiten begünstigen. Nach Angaben der Organisation sind 1,28 Milliarden Menschen von Hypertonie betroffen, 46 Prozent der Betroffenen sind sich nicht bewusst, dass sie einen zu hohen Blutdruck haben, da der Zustand meist schmerzlos ist. Ein zu hoher Blutdruck (140/90 mmHg oder höher) ist der meistverbreitete Grund für vorzeitige Todesfälle, denn er verursacht unter anderem Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Wie kann eine Apple Watch den Blutdruck messen?
Falls Sie sich das Video oben angeschaut haben, muss Ihnen aufgefallen sein, dass der Blutdruck sehr eng mit dem Herzschlag zusammenhängt. Der systolische Druck entsteht in der Phase, wenn sich die linke Herzkammer zusammenzieht und das Blut in die Aorta pumpt, der diastolische Druck entsteht, wenn sich die Herzkammer ausweiten und mit dem weiteren Schub von Blut gefüllt werden. Dies alles lässt sich mit den Herzschlagphasen verknüpfen, die auf dem EKG-Diagramm als Zacken und Wellen dargestellt werden:
Von Kalumet – selbst erstellt = Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Der springende Punkt dabei ist, dass diese Werte eine Apple Watch ab Series 4 bereits messen kann – das EKG auf Abruf, die Zeiten von bestimmten Herzschlagphasen eigentlich seit der ersten Apple Watch kontinuierlich. Die Autoren der Studie „Cuffless Blood Pressure in Clinical Practice“ haben sich angeschaut, wie praktikabel die Schätzung des Blutdruckes anhand diverser Herzschlagparameter ist.
Photoplethysmographie (PPG), in etwa die Methode, die auch Apple Watch nutzt, beruht auf dem Prinzip der Lichtabsorption: Eine Lichtquelle durchleuchtet Haut und die darunterliegenden Schichten bis zu den größeren Gefäßen. Sensoren messen die reflektierten Lichtwellen und mehr oder weniger schlaue Algorithmen können feststellen, ob das Signal von einer mit roten Blutkörperchen gefüllten Arterie oder umgekehrt stammt.
Grünes Licht, das Sie ab und zu mal auf der untereren Seite der Apple Watch sehen, absorbieren rote Blutkörperchen besonders gut, je mehr dieser Erythrozyten genannten Zellen gerade die Arterie passieren, desto schwächer kommt das Signal zurück. Im Umkehrschluss bedeutet dies, das Herz hat gerade mit Sauerstoff gefülltes Blut herausgepumpt – hier wären wir schon in der systolischen Phase des Herzschlages.
Messwerte und Algorithmen
Laut der Studie sind unterschiedliche Messungen des Herzschlags heranzuziehen, um daraus den Blutdruck zu errechnen. Potenziell vielversprechende Rechnungen für eine Smartwatch (und ein Smartphone) basieren auf Charakteristika wie Puls Arival Time (PAT – Pulsankunftszeit), in etwa der Zeit, in der die Druckwelle von Aorta eine Extremität erreicht – Fuß oder Hand.
Um diesen Wert zu messen, benötigt man jedoch zwei Sensoren, einen nahe dem Herzen, um den Moment zu registrieren, wann sich die Aorta mit dem Blut füllt und einen auf einer Extremität, um den Moment zu registrieren, wenn die Druckwelle die Stelle an einem der Gelenke erreicht. Eine verwandte Messung ist Puls Transit Time (PTT – Pulsübertragungszeit). Das ist die Dauer, in der die Druckwelle in den Arterien von einer zu der anderen Stelle des Körpers benötigt. Auch hier werden zwei Sensoren benötigt, Apple forscht an einer solchen Möglichkeit, mit zwei Sensoren den Blutdruck zu messen.
Ob das so praktikabel ist, darüber lässt sich zumindest streiten. Schließlich kann sich nicht jeder zwei Apple Watches für zwei unterschiedliche Gelenke leisten. Deswegen forscht Apple auch an anderen Methoden, etwa den Blutdruck mit einem seismografischen Sensor im Armband zu messen oder ein extra dafür geschaffenes Neuronales Netzwerk dafür zu trainieren.
Fazit
Sieht man sich die Anzahl der eingereichten Studien bei Pubmed an, fällt auf, dass die Anzahl der Untersuchungen zum Thema „Cuffless blood pressure“, also “manschettenlose Blutdruckmessung“ seit rund 2015 sprunghaft steigt.
Auch die Autoren der von uns zitierten Studie sind überzeugt, dass die Branche gerade vor dem Umbruch steht: Die notwendige Technologie, vielmehr Technologien sind bereits auf dem Markt, auch Neuronale Netzwerke werden immer mächtiger und können immer genauer chaotische und zufällige Daten bei der Signalbearbeitung herausfiltern.
Der Markt für solche Geräte wäre riesig, denn auch für Prävention sind solche Geräte gut einsetzbar, da sie im Alltag nicht stören. Die Puzzle-Teilchen sind bereits vorhanden, es ist nur noch an der Zeit, dass jemand diese Teilchen zu einem großen Ganzen zusammensetzt.
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